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Rede vom Botschafter WU Ken beim Empfang anlässlich des 73. Nationalfeiertages der Volksrepublik China und des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland
2022-10-01 05:02

Die Anfangsmotivation fest vor Augen und weiter mit Mut voran –

Komposition der zukünftigen chinesisch-deutschen Zusammenarbeit

--- Rede beim Empfang anlässlich des 73. Nationalfeiertages der Volksrepublik China und des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland

Berlin, 30. September 2022

 (Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler a.D. Schröder,

sehr geehrte Frau Staatsministerin Keul,

sehr geehrte Bundestagsabgeordneten,

liebe Kolleginnen und Kollegen des diplomatischen Corps,

liebe Landsleute,

meine Damen und Herren, liebe Freunde,

es ist mir eine große Freude, mit Ihnen allen zusammen den chinesischen Nationalfeiertag, der sich heute zum 73. Mal jährt, sowie den 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland zu feiern. Die heute hier anwesenden Gäste gehören den verschiedensten Gesellschaftsbereichen in Deutschland an und sind Zeugen, Mitgestalter und Förderer der chinesisch-deutschen Beziehungen sowie der Entwicklung Chinas. Im Namen der Chinesischen Botschaft in Deutschland möchte ich Ihnen persönlich und auch stellvertretend für all diejenigen, die sich in ihren jeweiligen Bereichen für die chinesisch-deutsche Freundschaft und Zusammenarbeit interessieren, engagieren und aktiv einsetzen, unseren tief empfundenen Dank und aufrichtigen Respekt aussprechen!

Ein halbes Jahrhundert ist es her, seit der damalige Außenminister der Volksrepublik China, Ji Pengfei, und der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Walter Scheel, am 11. Oktober 1972 in Peking das gemeinsame Kommuniqué über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichneten und damit den offiziellen Beginn der diplomatischen Beziehungen unserer beiden Länder einläuteten. Viel Zeit ist seitdem vergangen, aber der Klang schwingt weiter. Man könnte die Geschichte der Beziehungen zwischen China und Deutschland durchaus mit einer inhaltsreichen und zeitlosen CD vergleichen, die man auch nach unzähligem Hören immer noch gerne abspielt. Ja, tatsächlich stammt auch daher die Inspiration für das Logo, das unsere Botschaft anlässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen entworfen hat. Diese CD der chinesisch-deutschen Beziehungen verdient es, gehört zu werden. Sie ist eine Quelle der Inspiration und Anregung für die Fortführung der Komposition der zukünftigen chinesisch-deutschen Beziehungen.

Mut stand am Anfang der nunmehr fünfzigjährigen chinesisch-deutschen Beziehungen. Vor fünfzig Jahren befand sich die Welt inmitten des Kalten Krieges. Es gab gewaltige, unüberwindbare Barrieren zwischen dem östlichen und westlichen Lager und die Stimmung war überaus konfrontativ. Inmitten dieser politischen Eiszeit wagten es China und Deutschland, den Eisernen Vorhang zu lüften, Kontakte zu knüpfen und schließlich diplomatische Beziehungen einzugehen. Dies erforderte strategische Weitsicht, aber auch enormen Mut. Den Mut, eigenständige Entscheidungen zu treffen und diese tatsächlich auch in die Tat umzusetzen. Erfreulicherweise ziehen sich diese Eigenschaften durchgehend durch die Geschichte der bilateralen Beziehungen. Als China 1978 beschloss, den Weg der Reform und Öffnung einzuschlagen und zahlreiche ausländische Unternehmen den Entwicklungen in unserem Land eher zurückhaltend zusahen, traten deutsche Unternehmen wie Volkswagen bereits an die chinesische Regierung heran und nahmen Verhandlungen auf. Aus diesem Grund gehören sie zu den ersten ausländischen Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt aktiv wurden. Auch für China gehörte Mut dazu, als einziges der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates im Jahr 1990 die Bemühungen Deutschlands um eine Wiedervereinigung von Anfang an bedingungslos zu unterstützen. Deshalb haben wir auch die Hoffnung, dass Chinas Bemühungen um eine Wiedervereinigung auf deutscher Seite gleichermaßen auf Verständnis und Unterstützung stoßen können.

Zusammenarbeit war stets der Leitgedanke der fünfzigjährigen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Der bilaterale Handel ist von einem anfänglichen Rinnsal zu Beginn der diplomatischen Beziehungen mittlerweile zu einem reißenden Strom angeschwollen. Heute wird pro Minute ein Handelsvolumen von fast einer halben Million Euro erreicht, ungefähr das Tausendfache im Vergleich zu den 70er Jahren. Deutschland ist seit vielen Jahren der wichtigste Handelspartner Chinas in Europa. Auch ist China seit sechs Jahren in Folge der größte Handelspartner Deutschlands. Der China-Europa-Express ist als Karawane aus Stahl zwischen Deutschland und China unterwegs, die allen Widrigkeiten trotzt. Die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit umfasst nahezu das gesamte Spektrum der Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Sie entwickelt sich kontinuierlich weiter und erschließt neue Gebiete, wobei die Zusammenarbeit insbesondere in Zukunftsbereichen wie Umweltschutz und Technologien zur CO2-Reduktion, Gesundheitswesen, technologische Innovationen, smart Cities, künstliche Intelligenz und Digitalisierung floriert.

Dialog war immerzu das Grundprinzip der fünfzigjährigen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Dialog und Verständigung auf höchster Ebene war und ist ein wichtiger Motor für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen. Die vorangegangenen Regierungen und führenden Politiker unserer beiden Länder pflegen seit jeher einen engen Austausch mithilfe von Besuchen, Telefonaten und Videokonferenzen. Es wurden über 70 Dialogmechanismen eingerichtet, die verschiedene Bereiche wie Politik, Wirtschaft und Handel, Bildung, Wissenschaft und Technologie sowie Militär abdecken. Darüber hinaus haben China und Deutschland 103 Städte- und Provinzpartnerschaften gegründet. Sie sind es, die die Kommunikation und den Austausch in allen Bereichen und auf allen Ebenen möglich machen und damit das gegenseitige Verständnis und Vertrauen kontinuierlich verbessern und Konsens und Zusammenarbeit fördern. Seit kurzem planen China und Deutschland auch die nächsten Kontakte auf hoher Ebene, einschließlich einer neuen Runde von Regierungskonsultationen. Beide Seiten sehen der Wiederaufnahme des persönlichen Austauschs mit großer Vorfreude entgegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde,

in den fünfzig Jahren seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen sind wir Zeugen einer drastisch veränderten internationalen Lage geworden. Zum einen hat die Welt die Zeitenwende von der Blockkonfrontation während des Kalten Krieges hin zu Frieden, Entwicklung und Multipolarisierung des internationalen Systems erlebt. Zum anderen war sie Bewährungsproben wie dem Terrorismus, der Finanzkrise und der Flüchtlingskrise ausgesetzt. Die Akzente, die die CD der chinesisch-deutschen Beziehungen in den verschiedenen Zeitphasen setzt, variieren bisweilen. Zeitweise lag die Betonung auf der politischen und strategischen Kommunikation. Dann wurde der pragmatischen, wirtschaftlichen Zusammenarbeit wieder mehr Gewicht beigemessen oder aber der zwischenmenschliche und kulturelle Austausch stand im Mittelpunkt. Hin und wieder ließen sich auch Dissonanzen oder gar Störgeräusche vernehmen. Aber geleitet durch den Taktstock des gegenseitigen Respekts, des Trachtens nach Gemeinsamkeiten trotz Differenzen und der Win-Win-Kooperation war und ist der Grundtenor der chinesisch-deutschen Beziehungen stets Zusammenarbeit und Dialog.

Gegenwärtig unterziehen zahlreiche Herausforderungen wie die Jahrhundertpandemie, geopolitische Konflikte und der Klimawandel unsere Welt einer mehrschichtigen Belastungsprobe. Einzelne Länder provozieren ein Wiederaufleben der Mentalität des Kalten Krieges. Unilateralismus und Protektionismus treten der globalen Governance sowie der wirtschaftlichen Globalisierung entgegen. Möchte man Win-Win-Kooperationen und eine gemeinsame Entwicklung auf der einen Seite oder abgekoppelte Lieferketten und die Konfrontation verschiedener Lager auf der anderen Seite – das ist einmal mehr die Frage der Zeit für die internationale Gemeinschaft. Als international einflussreiche Länder müssen auch China und Deutschland darauf eine entsprechende Antwort geben. Die Berliner Mauer ist längst gefallen und sollte keinesfalls wieder aufgebaut werden. Ideologische Grenzen zu ziehen oder Lagerrivalitäten auszutragen, käme einer rückwärtsgewandten Entwicklung gleich.

Die Geschichte und unsere praktischen Erfahrungen haben schon bewiesen, dass das Festhalten Chinas und Deutschlands an Zusammenarbeit und Dialog in den letzten 50 Jahren stets im Trend der Zeit lag und den großen historischen Entwicklungsrichtungen entsprach. Die Vorgehensweise liegt sowohl im Interesse beider Seiten, und hat darüber hinaus auch einen positiven Beitrag zu Frieden und Entwicklung in der Welt geleistet. In China sagt man, dass das Bewahren eines kühlen Kopfes und die Orientierung an Altbewährtem dazu dient, mit Veränderungen fertig zu werden. In der gegenwärtigen Situation wird sich der Wert und die Verantwortung der chinesisch-deutschen Beziehungen darin zeigen, dass beide Seiten weiterhin an den Leitgedanken bzw. der allgemeinen Richtung der Zusammenarbeit und des Dialogs festhalten, die Stabilität der Beziehungen wahren und den Weltfrieden und die globale Entwicklung dadurch stabiler und verlässlicher machen. Es wird darauf ankommen, dass unsere beiden Länder gemeinsam der Deglobalisierung entgegenwirken und verhindern, dass die Welt in einen Abgrund von Spaltung und Konfrontation abgleitet.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

es stimmt natürlich, dass es Unterschiede in den politischen Systemen, der Geschichte und Kultur sowie den sozialen Gegebenheiten zwischen China und Deutschland gibt. Nichtsdestotrotz sind wir fest davon überzeugt, dass Gleichgesinnte vor diesem Hintergrund Partner werden können und dass die Suche nach Gemeinsamkeiten trotz existierender Differenzen genauso gut in einem partnerschaftlichen Verhältnis enden kann. So verhält es sich auch mit chinesischen und westlichen Musikinstrumenten, die trotz ihrer Andersartigkeit ein harmonisch klingendes Ensemble bilden können. Die Welt ist gerade wegen ihrer Vielfalt und ihrer Unterschiede ein so wunderbarer Ort. Gleichzeitig erfordern es diese Unterschiede, dass wir uns regelmäßig austauschen und voneinander lernen. So können wir uns die Stärken der anderen zunutze machen und unsere Schwächen gegenseitig ausgleichen. In den fünfzig Jahren seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland haben beide Länder durch das ständige „miteinander im Gespräch bleiben“ jeweils zahlreiche Erfolge erzielt und von den Stärken des anderen profitiert. Es ging nicht darum, den anderen zu verändern oder gar zu ersetzen. Dieses Miteinander stand ganz im Zeichen der Suche nach Gemeinsamkeiten bei gleichzeitiger Berücksichtigung der bestehenden Differenzen. Dabei handelt es sich um eines der Kernkonzepte der chinesischen Außenpolitik. Wir sind der Auffassung, dass Länder bei der Interaktion mit anderen Ländern nicht nur angehalten, sondern sogar dazu verpflichtet sind, wann immer möglich nach Gemeinsamkeiten zu suchen und gleichzeitig die gegenseitigen Unterschiede zu respektieren. Und darin liegt auch der Reiz und die Aufgabe der Diplomatie.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,

in diesem Jahr hat China unter der starken Führung der Partei mit Generalsekretär Xi Jinping an der Spitze die Prävention und Bekämpfung der Pandemie mit den Bemühungen um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung effektiv koordiniert und an allen Fronten positive Fortschritte erzielt. Chinas Wirtschaft wuchs in der ersten Jahreshälfte um 2,5%, die Exporte stiegen um 13,2% und das landesweite verfügbare Pro-Kopf-Einkommen stieg im Jahresvergleich um 3%. All dies zeugt von großer Widerstandsfähigkeit. Auch die Pandemie wird nichts daran ändern, dass Chinas Tor offensteht. Die chinesische Regierung ist bemüht, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Schwierigkeiten beim persönlichen Austausch in Zeiten der Pandemie zu überwinden. Dementsprechend wurden in diesem Jahr bereits eine Reihe von Erleichterungen unter anderem hinsichtlich Visabeantragung sowie Einreisebestimmungen eingeführt. Weitere relevante Lockerungen werden folgen und wir sehen bereits der bestmöglichen Normalisierung des Reiseverkehrs zwischen China und Deutschland im nächsten Jahr entgegen.

Egal ob im Osten oder im Westen liegt die eigentliche Wettbewerbsfähigkeit darin, sich immer wieder selbst zu übertreffen, und nicht darin, andere einzudämmen. Der wahre Gegner ist immer man selbst. China treibt die eigene Entwicklung nicht voran, um andere herauszufordern, zu ersetzen oder mit ihnen zu konkurrieren, sondern um dem chinesischen Volk ein besseres Leben zu ermöglichen und zu einer besseren Version seiner selbst zu werden. Wir haben die Voraussetzungen, die Fähigkeit und die Zuversicht, unsere kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungsziele zu erreichen. Dies wird der Erholung der Weltwirtschaft starke Impulse verleihen und gleichzeitig allen Ländern umfassendere Marktchancen bieten.

Am 16. Oktober findet der 20. nationale Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas statt. Dieser Kongress wird die Richtung für Chinas künftige Entwicklung vorgeben und einen Fahrplan skizzieren. China wird sich weiterhin selbstbewusst, offen und integrativ für die Förderung der internationalen Zusammenarbeit einsetzen und die verschiedenen globalen Herausforderungen auf dieselbe Art und Weise angehen. In Anlehnung an das Konzept des Aufbaus einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit wird China neue Entwicklungen ermöglichen und der Welt damit neue Chancen eröffnen. Unser Land wird sein Wissen und seine Stärke für den Frieden und die Entwicklung in der Welt sowie für den Fortschritt der menschlichen Zivilisation einsetzen.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,

eine alte chinesische Weisheit lautet: wenn wir auf dem Weg in die Zukunft nicht nachlassen, darüber nachzudenken, wie man Dinge weiter verbessern kann, werden wir es weit bringen. Es war wunderschön und sehr bewegend, wie eben die Nationalhymnen unserer beiden Länder von Jugendlichen aus China und Deutschland in beiden Sprachen dargeboten wurden. Vor fünfzig Jahren wäre ein solches Ereignis für die meisten Menschen unvorstellbar gewesen. In Deutschland sagt man: „Wer Jubiläen feiern kann, erinnert sich, wie es begann“, und wir Chinesen sagen: „Wer die anfängliche Motivation und Überzeugung nicht aus den Augen verliert, wird seine Mission am Ende zum Erfolg führen.“ Lassen Sie uns den Mut bewahren, den unsere beiden Länder schon bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen bewiesen haben, und an den Leitgedanken der Zusammenarbeit und des Dialogs festhalten. Lassen Sie uns in einem harmonischen und produktiven Miteinander an der Komposition der chinesisch-deutschen Beziehungen für die kommenden fünfzig Jahre weiterarbeiten und sie auf die Bühne bringen, und damit einen gemeinsamen, chinesisch-deutschen Beitrag zum Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit und zur friedlichen und stabilen Entwicklung der Welt leisten!

Vielen Dank!


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