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Schriftinterview von Herrn Botschafter Wu Hongbo für die chinesische Zeitung "International Herald Leader"
2009-10-23 18:17

Am 20. Oktober gab Herr Botschafter Wu Hongbo der chinesischen Zeitung "International Herald Leader" ein Schriftinterview, das am 22. Oktober veröffentlicht wurde. Zu Ihrer Information veröffentlichen wir das ganze Interview im Wortlaut.

IHL: Im Vorfeld der Buchmesse gab es einen Wirbel wegen der Einladung einiger Personen durch die deutsche Seite. Wie ist Ihre Meinung dazu?

---Wu: In der Geschichte der Frankfurter Messe ist China zum ersten Mal als Gastland aufgetreten. In den vergangenen mehr als acht Monaten hat China mehr als 600 vielfältige Veranstaltungen durchgeführt, die mit der Eröffnung einen Höhepunkt erreichten. Chinas Auftritt als Ehrengast vermittelte die Weisheit und das Bewusstsein der chinesischen Kultur und ermöglichte die Förderung des Kulturaustausches und die Vertiefung von Verständnis und Freundschaft zwischen China und den Völkern der Welt.

Der Wirbel im Vorfeld der Buchmesse war nicht unerwartet, weil manche Leute genau solch ein Ergebnis sehen wollten. Das zeigt aber doch, dass diese Leute sich nicht daran gewöhnen können, dass andere Kulturen sich an den Entwicklungsprozessen der Welt beteiligen, und erst recht nicht in der Lage sind, vom Blickwinkel anderer Kulturen aus zu überlegen. Natürlich gab es auch manche Spielverderber, die dem Gastland nicht einmal den mindesten Respekt zeigten, sondern sich nach dem Motto richten, nämlich "Diejenigen, die gehorchen, werden prosperieren. Diejenigen, die sich widersetzen, werden umkommen." Dieses Vorgehen bringt in der deutschen Bevölkerung und in den hiesigen Medien bereits viel zum Nachdenken. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte, wenn China als Gast zur Buchmesse eingeladen sei, müsse es als Gast behandelt werden. Seine Geschichte und Kultur müssten respektiert werden.

Wie unser Vize-Staatspräsident Xi Jinping sagte: "Die Vielfalt der Zivilisationen ist objektive Realität der menschlichen Gesellschaft und ein grundlegendes Merkmal der gegenwärtigen Welt. Unterschiede bezüglich Ideologie, Gesellschaftssystem und Entwicklungsmodell sollten keine Hindernisse für den Austausch der Zivilisationen der Menschheit werden, erst recht nicht Gründe für Konfrontation."

Seit meinem Amtsantritt bin ich mit vielen deutschen Freunden zusammengetroffen. Diese haben mir den Eindruck vermittelt, dass die meisten Deutschen China gegenüber freundlich sind. Sie respektieren China mit seiner mehr als 5000-jährigen Zivilisation, würdigen die riesigen Erfolge seit der Reform und Öffnung. Manche weisen deutlich darauf hin, dass der Westen, insbesondere Deutschland, angesichts seiner kolonialen Geschichte keinen Grund hat, arrogant mit China umzugehen oder an China herumzukritisieren. Aus der allgemeinen deutschen Öffentlichkeit ist auch zu hören, dass die negativen Berichte mancher deutscher Medien keineswegs ihre Stimme wiedergeben. Obwohl auch in Zukunft noch Spielverderber auftauchen können, bin ich zuversichtlich für den Kulturaustausch zwischen China und Deutschland.

IHL:Wie beurteilen Sie den Auftritt Chinas auf der Buchmesse? Hat er dazu beigetragen, Chinas "Soft Power" zu stärken und die China-Kenntnisse der Deutschen zu fördern? Welche Erfahrungen kann man daraus ziehen?

---Wu: Der Auftritt Chinas als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse ist die bisher größte Kulturveranstaltung außerhalb des eigenen Landes. Als Gastland veranstaltet China über das ganze Jahr in Deutschland hunderte von Veranstaltungen wie Kulturausstellungen, Konzerte, Aufführungen, Lesungen, "Chinesische Filmwoche" etc. Mehr als 1000 Verleger, Künstler und Schriftsteller kamen zur Buchmesse. Noch nie vorher waren mehr als 100 Schriftsteller aus einem Land zeitgleich auf der Messe anwesend. Der Auftritt als Gastland ermöglicht eine allseitige Darstellung der brillanten chinesischen Kultur von mehr als 5000 Jahren und der in den letzten Jahren erzielten riesigen Erfolge; diese hat die Deutschen tief beeindruckt und deren Kenntnisse über China intensiviert.

Gleichzeitig sollten wir feststellen, dass die Deutschen noch immer recht wenig von China wissen. Während der Buchmesse hat ein deutsches Medieninstitut zufällig 10 Deutsche und 10 Chinesen gefragt. Acht von den 10 Deutschen wussten nichts über chinesische Schriftsteller. Dagegen waren die meisten der 10 Chinesen mit berühmten Autoren und Literaten Deutschlands vertraut. Das verdeutlicht die Unzulänglichkeit unserer Vermittlung der chinesischen Kultur nach außen sowie die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer weltweiten Präsentation der ausgezeichneten chinesischen Kultur.

IHL: Seit Ihrem Amtsantritt als Botschafter in Deutschland sind Sie bereits von einigen deutschen Zeitungen interviewt worden. Welche Eindrücke haben die deutschen Medien auf Sie gemacht? Die deutschen Medien sind außerordentlich am Thema China interessiert, aber kennen sie China Ihrer Meinung nach? Falls nicht, was ist der Grund dafür?

---Wu: Seit meinem Amtsantritt habe ich bereits "Berliner Zeitung", "Die Welt" und "Frankfurter Rundschau" Interviews gegeben. Mein Eindruck ist, dass die deutschen Journalisten großes Interesse für China haben. Vor dem Interview zerbrechen sie sich den Kopf, um sich schwierige und sogar aggressive Fragen auszudenken. Die 3 Journalisten, die Gespräche mit mir führten, wissen alle mehr oder weniger etwas von China, aber ihre Ansichten über China sind von festgefügtem Denkmuster geprägt. Meine größte Entdeckung ist, dass die deutschen Medien gar nicht die hundertprozentig Meinungsfreiheit genießen, wie sie es behaupten. Jede Zeitung hat eigene Regeln. Die veröffentlichen nur ausgewählte Abschnitte, und zwar nach ihren Maßstäben der "politischen Korrektheit" und sind äußerst sparsam mit Komplimenten für China. Für Deutschland sensible Themen kommen gar nicht in Frage. Ein Bespiel dafür: Bei einem Interview habe ich die deutsche Geschichte der Aggression in anderen Ländern erwähnt; dieser Teil wurde gestrichen, weil es angeblich nicht genug Platz auf der Zeitungsseite gab. Aber ich habe ihnen gesagt: Wenn Sie es nicht veröffentlichen, dann veröffentlichen wir es, wir stellen das ganze Interview im Wortlaut, ohne Streichung auch nur eines einzigen Wortes auf die Internetseite der Botschaft (http://www.china-botschaft.de), dann können die Leser dort den vollständigen Text lesen.

Zwar interessieren sich die deutschen Medien für China, aber die Mehrheit der deutschen Journalisten kennt China nicht wirklich. Viele von ihnen sind nie in China gewesen. Manche deutsche Freunde haben uns gesagt, es sei üblich, dass viele Journalisten der mittleren und kleineren deutschen Zeitungen die China-Meldungen der großen deutschen Zeitungen abschreiben, weil sie selbst China nicht kennen. Aus diesem Grund werden wir einerseits mehr Gäste zu uns einladen, andererseits engagierter "nach außen gehen", um mehr Kommunikation und Gedankenaustausch zu machen, um das gegenseitige Verständnis zu fördern.

IHL: Im Gespräch mit "Die Welt" haben Sie chinesische bekannte Sprüche benutzt, w.z.B. "Wenn drei unterwegs sind, dann kann einer unter ihnen bestimmt mein Lehrer sein" (hingegen handeln die Amerikaner und Europäer in den internationalen Angelegenheiten nach dem umgekehrten Prinzip, nämlich "Wenn drei unterwegs sind, dann muss ich der Lehrmeister sein"), und der andere Spruch lautet: "Wenn man Orangen südlich des Huai-Flusses pflanzt, dann werden sie süß, im Norden werden sie sauer". Damit sind Sie den provozierenden Fragen des deutschen Journalisten gegenüber geschickt von der Defensive zum Angriff übergegangen, was sehr positiv beurteilt wird. Manchen Kommentaren nach widerspieglt es die chinesische Weisheit. Es werden immer mehr Auseinandersetzungen zwischen China und dem Westen geben. Wie sehen Sie die Rolle der chinesischen Weisheit beim Austausch mit dem Westen?

---Wu: Die Zivilisation und die Weisheit Chinas sowie des Westens sind der gemeinsame Reichtum und die gemeinsame Weisheit der Menschheit. Sie sollen sich einander ergänzen und entwickelt werden. Weil China und Deutschland verschiedene historischen Hintergründe, Gesellschaftssysteme und Wertvorstellungen haben, sind ihre Ausdrucksweisen nicht deckungsgleich. Die Deutschen sowie die deutschen Medien interessieren sich sehr für die alte Kultur, Geschichte und Philosophie Chinas, aber sie verstehen unsere Ausdrucksweise, die für die Chinesn im Innland üblich ist, nicht so gut, was zu Verständnisschwierigkeiten führt. In dieser Situation kann die treffende Verwendung der bekannten chinesischen Sprüche, Zitate aus den alten Werken oder sogar das Erzählen einer kleinen Geschichte das Interesse für die orientalische Weisheit wecken und gleichzeitig unsere Ansichten eindeutig darstellen.

So wie Chinas Stärke ständig zunimmt und China eine immer wichtigere Rolle in der Welt spielt, wird der Austausch zwischen China und dem Westen immer umfangreicher und tiefer. Dabei wird es unvermeidlicherweise zu mehr Zusammenprall der Gedanken und zu mehr Auseinandersetzungen verschiedener Kulturen und Denkweisen kommen. Das ist ganz normal, und das ist auch gut so. In Zukunft sollten wir uns darum bemühen, den Menschen im Westen auf eine Weise, die sie verstehen und die sie annehmen können, einfach und verständlich die glänzende Kultur der chinesischen Nation und Chinas Standpunkte zu den großen und wichtigen Fragen zu vermitteln, um so das gegenseitige Verständnis und die Freundschaft zwischen allen Völkern der Welt mit der Weisheit der chinesischen Nation zu fördern.

IHL: Vor einiger Zeit gab Herr Zhu Weiqun, Vizeminister für die Einheitsfront beim Zentralkomitee der KP Chinas, der deutschen Zeitschrift "Focus" ein Interview, was große Aufmerksamkeit im Inland fand. Das hat in gewissem Maße das Bild der Beamten in der Bevölkerung verändert. Was die politischen Themen angeht, ist es highlight, dass die chinesischen Beamten sich nach außen äußern. Wie sehen Sie als Botschafter die Rolle chinesischer Beamten beim Austausch zwischen China und dem Westen?

---Wu: Die Antworten von Herrn Minister Zhu Weiqun auf die Fragen der deutschen Journalistin sind inhaltlich detailliert und authentisch, logisch stringent, überzeugend und gut belegt. Das war ein sehr gutes politisches Statement über Tibet. Offen gesagt, unsere chinesische Stimme ist im Ausland noch ziemlich schwach. Es herrschen Meinungen, die die Dinge böswillig hochspielen oder China anschwärzen. Die Gründe dafür liegen z.T. darin, dass westliche Medien absichtlich nicht über unsere Ansichten berichten, z.T. auch darin, dass wir uns zu wenig offen äußern. Ich bin der Meinung, dass chinesische Beamte sich aktiver nach außen äußern sollen, damit mehr Menschen in der Welt unsere Stimme hören können. Sie können mit unser Ansicht nicht einverstanden sein, aber es geht nicht, dass Sie unsere Stimme nicht hören können. Als Botschafter ist es mir eindringlich bewusst geworden, dass in den westlichen Ländern, darunter auch Deutschland, die Kenntnisse über China sehr weit hinter den Kenntnissen Chinas über diese Länder zurückbleiben. Aus diesem Grund sollten chinesische Beamte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um unsere Standpunkte und Anliegen zu erläutern, damit Chinas Stimme an allen Ecken der Welt zu hören ist. Ein offenes, selbstbewusstes Vaterland braucht genauso offene, selbstbewusste Beamte.

IHL: Manche Kommentare sagen, China hat auf der Frankfurter Buchmesse seine "Soft Power" präsentiert. Wie kann China seine "Soft Power" Ihrer Meinung nach besser zur Geltung bringen? Mit anderen Worten, worin liegt das größte Problem beim Austausch zwischen China und dem Westen? Wie können Konfuzius und Goethe einen besseren Dialog führen?

---Wu: Vor allem wäre es bisschen schwierig, den Dialog zwischen Konfuzius und Goethe, die jeweils vor mehr als 2000 Jahren und im 18. Jahrhundert lebten, zustande zu bringen. Aber es ist absolut möglich, dass Chinesen und Westler von heute in Dialog treten. Chinas Auftritt auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mit derartiger Größe, den vielen Innovationen, vielen highlights und großer Aufmerksamkeit hat bei den Menschen im Westen großes Interesse für China geweckt. Hier wurde Chinas "Soft Power" allseitig präsentiert, das war ein sehr guter Ansatz. Der Auftritt der 100 chinesischen Autoren und ihre vorzüglichen Antworten auf Fragen stießen bei den westlichen Lesern auf Sympathie und Resonanz. Die zahlreichen Vorträge und Diskussionen gaben den westlichen Teilnehmern neue und frische Eindrücke. Es gibt ein unauffällig entstehendes Forschungsfieber über China, das sich weder um die Vorurteile früherer ausländischer Missionare noch um das starre "Wenn kein Freund, dann Feind- Denken" des Kalten Krieges handelt. Stattdessen sind es systematische und umfassende Forschungen über das Neue China. Die Präsentation von Chinas "Soft Power" gegenüber der Welt braucht die Unterstützung des Staates und auch die gemeinsame Beteiligung der Personen aus allen Bereichen. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir Sarkasmus und Hohn nicht scheuen, sondern unbeirrt daran festhalten, die glänzende Kultur der chinesischen Nation mit allen Völkern der Welt zu teilen, dann werden wir sicher Verständnis und Unterstützung gewinnen und einen noch größeren Beitrag zum gemeinsamen Aufbau einer harmonischen Welt leisten. Wie Chinas Vize-Staatspräsident Xi Jinping in seiner Rede bei der Eröffnung der diesjährigen Frankfurter Buchmesse sagte: "Wenn man den Dialog und Austausch zwischen verschiedenen Zivilisationen fördert, sich nicht gegenseitig abstößt, sondern sich aneinander ein Beispiel nimmt, dann wird die Welt reichhaltiger und vielfältiger".

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