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Für eine von Offenheit und Innovation geprägte chinesisch-deutsche Zusammenarbeit --Gastbeitrag von Li Keqiang, Ministerpräsident der Volksrepublik China
2014-10-08 15:39
Für eine von Offenheit und Innovation
geprägte chinesisch-deutsche Zusammenarbeit
--Gastbeitrag von Li Keqiang, Ministerpräsident der Volksrepublik
China
 

Ich freue mich über diesen erneuten Besuch in Deutschland. Deutschland ist das Land, das ich bei meinen Europareisen am häufigsten besucht habe, und jeder Besuch bringt Neues und hinterlässt gute Erinnerungen. Ich bin der Überzeugung, dass auch dieser Besuch mir viel bringen wird.

Ich habe großes Interesse an Deutschland, nicht nur, weil es ein faszinierendes Land mit reicher Geschichte ist, und nicht nur aus Respekt vor der Disziplin und Kreativität der Deutschen – einen besonders tiefen Eindruck hat bei mir hinterlassen, wie dieses Land die EU-Schuldenkrise bewältigt. Deutschland hat angesichts der Krise die Ruhe bewahrt, hat unter widrigen Umständen gekämpft, es bemüht sich um Einigkeit der Länder der Eurozone, um die Reformen voranzubringen und gemeinsam die Schwierigkeiten zu überwinden. Es macht seiner Position als eine zentrale Kraft in Europa alle Ehre.

China wie Deutschland besitzen eine lange und reiche kulturelle Tradition. Die Menschen in beiden Ländern sind fleißig, pragmatisch und durch einen unbeugsamen Erfolgswillen geprägt. China und Deutschland sind wie füreinander bestimmte Freunde, und auch die große Entfernung, die zwischen ihnen liegt, kann ihren Umgang und ihre Zusammenarbeit nicht behindern. In den letzten Jahren hat sich die Wirtschaftskooperation zwischen China und Deutschland rapide ausgeweitet, ihre Volkswirtschaften sind stark miteinander verflochten und eng zusammengewachsen. Deutschland ist Chinas größter Handelspartner in der EU, und China ist Deutschlands größter Handelspartner in Asien. VW, Siemens - "Made in Germany" kennt in China jedes Kind, und Firmen wie Huawei und Lenovo bieten jetzt ihren Kunden in Deutschland einen guten "China-Service". China und Deutschland sind prädestiniert dafür, sich mit ihren Stärken zum beiderseitigen Vorteil zu ergänzen.

Ohne das Zutun weitsichtiger, kenntnisreicher Persönlichkeiten wäre die heutige erfreuliche und umfassende bilaterale Zusammenarbeit vor über 30 Jahren nicht zustande gekommen. Als viele europäische Unternehmen auf Chinas Öffnung zögernd reagierten, da investierten deutsche Unternehmen entschlossen in China, bauten dort Werke auf und waren relativ früh zum Technologietransfer nach China bereit. China erhielt so deutsches Kapital und Know-how, Deutschland erhielt Zugang zu den Märkten und Chancen in China. Mit Blick auf die Zukunft sollten beide Seiten noch mehr das Potenzial ihrer gegenseitigen Öffnung erschließen. China wird den Wunsch von VW, seine Anteile an dem Joint Venture FAW-Volkswagen zu erhöhen, wohlwollend prüfen, und es hofft, dass Deutschland qualifizierte chinesische Unternehmen zu Ausschreibungen um deutsche Hochgeschwindigkeitsbahnprojekte zulassen wird.

Derzeit bemüht sich die chinesische Regierung um Verwaltungsvereinfachung und Kompetenzdelegation. Gleichzeitig verstärkt sie die Prozessregulierung und Ex-post-Aufsicht, um die Kreativität der Menschen anzuspornen. Das Tor von Chinas Öffnung nach außen wird nicht geschlossen werden, sondern sich immer weiter auftun, und die Marktchancen werden immer mehr zunehmen. Wir werden uns darum bemühen, den Zugang zu unseren Märkten zu erleichtern und den Schutz geistigen Eigentums zu stärken, um so für ausländische Firmen, auch die deutschen, eine faire, transparente und geregelte Marktordnung zu schaffen.

Das Hauptziel meines Besuches ist es, gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die dritte Runde der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen abzuhalten, die der Planung der mittel- und langfristigen bilateralen Zusammenarbeit gewidmet sind. China ist im Begriff, seine Reformen umfassend zu vertiefen. Wir werden mittels Strukturreformen die Strukturanpassungen voranbringen und Anstöße dafür geben, dass die chinesische Wirtschaft eine mittlere bis hohe Wachstumsrate beibehält und sich auf ein middle-end bis high-end Niveau zubewegt. Im Verlauf dieses Prozesses wünschen wir uns Deutschland als Reformpartner, als Innovationspartner und als Upgrading-Partner. Die Rolle Chinas als CeBIT-Partnerland wollen wir dazu nutzen, gemeinsam das "Deutsch-Chinesische Jahr der Innovationskooperation 2015" einzuläuten.

China und Deutschland sind erfolgreiche Länder, doch ihr jeweiliger historischer und kultureller Hintergrund sowie ihr politisches System sind völlig verschieden. Ob sie tolerant mit ihren Differenzen umgehen können, das wird einen Reifetest für ihre Beziehungen darstellen. In China kennt man seit alten Zeiten die Maximen "Harmonie ist das Wertvollste" und "harmonisch, aber nicht deckungsgleich". Ich hoffe, dass die Deutschen sich von den Chinastudien von Leibniz und Goethe inspirieren lassen und sich noch mehr um das gegenseitige Verstehen bemühen.

Ein aus dem Lateinischen stammendes deutsches Sprichwort sagt: "Wer den Weg nicht kennt, auf dem er zum Meer gelangen kann, der sollte sich einen Fluss als Begleiter suchen." China und Deutschland sollten nicht nur gute Partner bei konkreten Kooperationsprojekten sein, sie sollten auch bei Öffnung und Innovation eine Führungsrolle übernehmen. Ich bin bereit, mit der politischen Führung Deutschlands gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, damit dieser Besuch den Vorhang für eine chinesisch-deutsche Zusammenarbeit auf noch höherem Niveau öffnet. Und um der gesunden Weiterentwicklung der chinesisch-europäischen Beziehungen neue Impulse zu verleihen.(Dieser Gastbeitrag erschien in der Zeitung DIE WELT am 8. Oktober 2014)

 

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