Home Über uns Wirtschaft und Handel Kontakt Konsularservice Bildung Presse Links
 
Home > Aktuelles über die Botschaft
Rede des Botschafters Wu Ken auf dem Frühlingsempfang der chinesisch-deutschen Wirtschaft
2023-04-22 02:53

(21. April 2023, Kasbaumsche Villa in Berlin)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

es ist mir eine große Freude, Sie in dieser blühenden Jahreszeit alle hier beim Frühlingsempfang der chinesisch-deutschen Wirtschaft zu treffen. Mit dem Frühlingserwachen und dem Neuanfang der Natur zieht der Frühling auch in den chinesisch-deutschen Wirtschaftsaustausch ein. Im Namen der chinesischen Botschaft möchte ich Sie alle, die Sie von nah und fern angereist sind, herzlich begrüßen und Ihnen unseren aufrichtigen Dank und Respekt für den jahrelangen Einsatz für die chinesisch-deutsche Freundschaft und Zusammenarbeit aussprechen!

Gegenwärtig erlebt die Welt einen frostigen Frühling. Verschiedene Veränderungen greifen ineinander und Turbulenzen überlagern sich. Instabilität, Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit sind zur neuen Normalität geworden. Auch die bilateralen Beziehungen sind vielen äußeren Störungen ausgesetzt. Wie man inmitten dieses ungewissen Wandels die Saat der Zusammenarbeit säen und zur Blüte bringen kann, das sind drängende Fragen unserer Zeit. China und Europa repräsentieren gemeinsam ein Zehntel der Weltfläche und ein Viertel der Weltbevölkerung und spielen damit eine Schlüsselrolle in wichtigen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und der G20. Man kann sagen, je turbulenter die internationale Lage und je größer die globalen Herausforderungen, desto mehr Bedeutung kommt der Beziehung zwischen China und Europa auf globaler Ebene zu.

Seit Ende letzten Jahres ist der Austausch auf höchster Ebene zwischen China und Europa durchaus bemerkenswert. Bundeskanzler Scholz besuchte China als erster westlicher Regierungschef nach der Pandemie, und europäische Spitzenpolitiker wie der Präsident des Europäischen Rates Michel, Spaniens Ministerpräsident Sánchez, der französische Präsident Macron sowie die Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen haben China alle in der Zwischenzeit einen Besuch abgestattet, und mit Staatspräsident Xi Jinping einen offenen und intensiven Austausch über die chinesisch-europäischen Beziehungen und die Weltlage geführt. Dass Vertreter der chinesischen und deutschen Wirtschaft heute hier versammelt sind, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten und Lösungen für die gegenwärtigen Herausforderungen zu diskutieren, ist deshalb von ganz besonderer Bedeutung. Ich möchte im Folgenden gerne versuchen, Ihnen anhand von Schlüsselwörtern einige meiner Ansichten darzulegen:

Das erste Schlüsselwort ist „Hoffnung“. Der Frühling ist die Jahreszeit der Hoffnung. Nach der Gründung der Volksrepublik China hat Deutschland sehr schnell die Saat der Zusammenarbeit auf dem chinesischen Markt gesät. Deutschland war eines der ersten westlichen Industrieländer, das Joint Ventures in China gründete und Kooperationen in Wissenschaft und Technologie einging. Heute trägt die praktische wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern längst Früchte. Der chinesisch-deutsche Handel hat in beiden Ländern Millionen von Arbeitsplätzen geschaffen. Deutschland ist nicht nur das wichtigste Ziel für chinesische Direktinvestitionen in der EU, sondern auch die wichtigste Quelle für europäische Investitionen in China. Obwohl die Globalisierung derzeit Gegenwind erhält, haben sich Unternehmen wie CATL, Gotion Hi-Tech und Svolt in Deutschland niedergelassen. Ebenso erfolgreich werden das Verbundprojekt von BASF in Zhanjiang, das BMW-Werk Lydia in Shenyang und das Werk für Elektroautos von Audi FAW errichtet. All das unterstreicht die große Hoffnung und Nachfrage nach Kooperationen zwischen Unternehmen auf beiden Seiten.

Diese Tatsachen beweisen, dass China und Deutschland Partner und keine Rivalen sind. Die beiden Länder stellen keine Bedrohung füreinander dar, sondern eine Chance. China und Deutschland als „systemische Rivalen“ zu bezeichnen, liegt keinesfalls im grundsätzlichen und langfristigen Interesse beider Seiten. Wir fragen uns, wenn jeder die bilateralen Beziehung mit einer „Weltuntergangsmentalität“ angeht, wie soll man denn dann noch auf eine friedliche Entwicklung hoffen, und wie soll man denn verhindern, dass Entkopplung oder gar ernstere Konflikte zu sich selbsterfüllenden Prophezeiungen werden? Und wir fragen uns, wenn Länder, die miteinander interagieren, nicht nach einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit streben, sollten wir gar nach gegenseitiger Benachteiligung streben?

Ich weiß, in den letzten drei Jahren war die Kommunikation aufgrund der Pandemie quasi unterbrochen. Aber China ist nicht so, wie man sich das Land am Schreibtisch vorstellen mag. Deshalb ist es so wichtig, dass beide Seiten die Kommunikation wieder vertiefen und ein richtiges Verständnis voneinander aufbauen. Wir laden Sie darum ein, China bei Gelegenheit zu besuchen und sich im Land umzusehen, um strategische Missverständnisse und Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Das zweite Schlüsselwort ist „Toleranz“. So wie es in einem Frühlingsgarten nicht nur eine Blumenart geben kann, so ist auch die menschliche Zivilisation reich und vielfältig. Schon vor Tausenden von Jahren verstanden die alten Chinesen, dass „alle Lebewesen gemeinsam wachsen können ohne sich gegenseitig zu schaden, und dass Wege parallel verlaufen können, ohne sich gegenseitig zu behindern“. Auf unserem großen Planeten Erde gibt es genügend Raum für die individuelle Entwicklung und den gemeinsamen Wohlstand vieler großer Länder. Die übertriebene Darstellung von „Demokratie vs. Autoritarismus“ löst negative Emotionen aus, und negative Emotionen führen bloß zu schlechten Ergebnissen. Die Vielfalt der politischen Systeme in der Welt mit einer einzigen Messlatte zu messen, ist an sich schon undemokratisch.

Wir haben den europäischen Integrationsprozess immer unterstützt und hoffen, dass die EU geeint, stabil, offen und wohlhabend bleibt. Deshalb erhoffen wir uns auch von Deutschland, dass Chinas Kerninteressen und Entwicklungsbedürfnisse respektiert. Auch hoffen wir, dass Deutschland weiterhin darauf bestehen wird, dass sich die Beziehungen zwischen China und Europa nicht einseitig gegen eine Partei richten, nicht von anderen abhängig werden oder von einer dritten Partei kontrolliert werden.

In der Hoffnung, die Abhängigkeit von China zu verringern, forcieren einige Stimmen in Europa aktuell das „De-Risking“. Wir sind jedoch der Ansicht, dass Zusammenarbeit und Abhängigkeit zwei Seiten derselben Medaille sind, je nachdem, wie man sie betrachtet. Tatsächlich ist die Politisierung von Handelsfragen und deren Einsatz als Waffe für geopolitische und sogar ideologische Zwecke das größte Risiko für die chinesisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. Haben die Industrieländer ernsthaft die Absicht, die sogenannte Sicherheit zu erlangen, indem sie China im High-Tech-Bereich kollektiv „boykottieren“ und die „De-Sinisierung“ der Lieferketten vorwärtstreiben? Die eigene „absolute Sicherheit“ kann doch nicht auf der „Unsicherheit“ der anderen errichtet werden. Die Berliner Mauer ist gefallen und sollte nicht wieder aufgebaut werden. Es bleibt zu hoffen, dass wir einen rationalen Verstand bewahren, die Dinge in einer langfristigen Perspektive betrachten und gemeinsam die Stabilität und stetige Entwicklung der chinesisch-europäischen Beziehungen fördern.

Das dritte Stichwort ist „Obhut“. Die chinesisch-deutsche Wirtschaftskooperation hat von dem friedlichen Umfeld im Zeitalter der Globalisierung profitiert. Da sich die Markt-, Kapital- und Technologievorteile beider Länder in hohem Maße ergänzen, hat sich der bilaterale Handel in den fünfzig Jahren zwischen 1972 und 2022 fast vertausendfacht, wobei die beiden Länder heute ein Handelsvolumen von fast einer halben Million Euro pro Minute erwirtschaften. Deutschland ist seit 48 Jahren in Folge der größte Handelspartner Chinas in Europa, und China ist seit sieben Jahren in Folge der größte Handelspartner Deutschlands weltweit. Solch enge Wirtschaftsbeziehungen resultieren nicht nur aus Marktgesetzen und Geschäftsentscheidungen, sondern sind auch das Ergebnis einer von beiden Ländern unabhängig getroffenen Entscheidung auf der Grundlage der wechselseitigen Interessen. Sie verdienen es, von beiden Seiten respektiert und geschätzt zu werden.

China und Deutschland sind beides wichtige Weltwirtschaftsmächte und demnach bei ihrer Entwicklung auf ein sicheres internationales Umfeld angewiesen. Seit der Gründung der Volksrepublik hat China niemals von sich aus einen Krieg begonnen und nie auch nur einen Zentimeter fremdes Land besetzt. China ist nach wie vor das einzige Land der Welt, in dessen Verfassung das „Festhalten am Weg der friedlichen Entwicklung" verankert ist. Wir haben wiederholt betont, dass es bei der Entwicklung Chinas nie darum ging, jemanden herauszufordern, zu ersetzen oder mit jemandem zu konkurrieren, sondern lediglich darum, dem chinesischen Volk ein besseres Leben zu ermöglichen. Würden China und die USA in endlose Konflikte und Rivalitäten verfallen, wie sie sich in der Vergangenheit zwischen Großmächten abgespielt haben, dann wären alle Entwicklungsfortschritte unserer Zeit umsonst. Und wenn es Europa nicht gelingt, kluge und vernünftige Urteile zu fällen, dann würde das die dunklen Lehren der Geschichte auslöschen.

Ein europäisches Sprichwort besagt: Wer alleine arbeitet, addiert. Wer zusammenarbeitet, multipliziert. In jüngster Zeit hat die deutsche Bundesregierung wiederholt die Übernahme deutscher Firmen durch chinesische Unternehmen gestoppt und die Einleitung von Sonderprüfungen von Ausrüstung und Komponenten chinesischer Unternehmen gefordert. Das ist sehr beunruhigend. Wir hoffen sehr, dass Deutschland mit China an einem Strang ziehen wird, damit die verschiedensten Hindernisse und Schwierigkeiten überwunden, der gegenseitige Respekt und Win-Win-Kooperationen hochgehalten und die umfassende strategische Partnerschaft zwischen China und Europa weiter vertieft werden können. Wir hoffen auch, dass Deutschland ein faireres, diskriminierungsfreies und berechenbares Geschäftsumfeld für die chinesische Unternehmen in Deutschland schaffen wird, um der turbulenten Welt mehr Stabilität, Gewissheit und Positivität zu verleihen.

Verehrte Damen und Herren,

einige Leute reden davon, dass China sich verändert habe, und man folglich auch den Umgang mit China verändern müsse. Darauf möchte ich entgegnen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Sowohl der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei im Oktober letzten Jahres als auch die erst kürzlich abgehaltenen „Zwei Sitzungen“ des Nationalen Volkskongresses und der Politischen Konsultativkonferenz haben nachdrücklich ein wichtiges Signal gesendet, nämlich dass die langfristige Kontinuität und Stabilität der chinesischen Innen- und Außenpolitik unverändert ist und bleibt. Und nicht nur das: Chinas Entschlossenheit, das hohe Maß an Offenheit noch auszuweiten, wird sich nicht ändern, ebenso wenig wie sein Wille, die Welt an den Entwicklungschancen teilhaben zu lassen, und die Globalisierung der Wirtschaft in eine offenere, integrativere, für jedermann vorteilhaftere, ausgewogenere und für alle Seiten gewinnbringende Richtung zu lenken. Die offenen Tore Chinas zur Welt werden sich nur immer weiter öffnen, jedoch nie wieder schließen. Chinas Richtung beim Aufbau eines neuen, noch offeneren Wirtschaftssystems wird sich nicht ändern, ebenso wenig wie seine Entschlossenheit, die Liberalisierung und Erleichterung von Handel und Investitionen zu fördern.

Dieser Tage haben die chinesische Wirtschaft und Gesellschaft sozusagen einen Reset durchgeführt und damit einen Neuanfang und eine kräftige Erholung eingeläutet. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds wird die Wachstumsrate des chinesischen BIP in diesem Jahr voraussichtlich 5,2% erreichen und damit sogar über der eigenen Prognose liegen. Chinas Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal um 4,5 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen und hat damit die Erwartungen übertroffen. Sowohl der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe erreichten neue Höchststände im Vergleich zu den letzten Jahren, und die Markterwartungen haben sich deutlich verbessert. China treibt die Liberalisierung und Erleichterung des Handels weiter voran. Das Gesamtniveau der Zölle ist im Vergleich zu vor fünf Jahren von 9,8% auf 7,4% gesunken und die Zollabfertigungszeiten für Ein- und Ausfuhren wurden um jeweils 67% bzw. 92% reduziert. Der World Openness Report 2022 zeigt, dass China in den letzten 13 Jahren im Hinblick auf die Öffnung nach außen unter den 129 größten Volkswirtschaften weltweit von Platz 62 auf Platz 39 aufgestiegen ist. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die deutschen Importe aus China im Februar dieses Jahres im Vergleich zum Vormonat um 6,7% und die Exporte nach China um 10,2% gestiegen – das ist doppelt so viel wie der Anstieg der gesamten deutschen Exporte.

Freilich sind wir uns auch der aktuellen Schwierigkeiten und Herausforderungen in unserer wirtschaftlichen Entwicklung bewusst, und wir ergreifen umfangreiche und wirksame Maßnahmen, um sie zu überwinden. Nichtsdestotrotz erfüllen wir die Voraussetzungen und haben die Fähigkeiten und das Vertrauen, unsere kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungsziele zu erreichen. Der beschleunigte Aufbau eines neuen Entwicklungsmusters in China und die Forcierung einer qualitativ hochwertigen Entwicklung werden der Erholung der Weltwirtschaft starke Impulse verleihen und auch die Marktchancen für deutsche Unternehmen erweitern!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die Geschichte und unsere praktischen Erfahrungen beweisen, dass das Festhalten Chinas und Deutschlands an Zusammenarbeit und Dialog in den letzten 50 Jahren stets im Trend der Zeit lag. Die Vorgehensweise liegt sowohl im Interesse beider Seiten, und hat darüber hinaus auch einen positiven Beitrag zu Frieden und Entwicklung in der Welt geleistet. Auch in Zukunft werden China und Deutschland angesichts zunehmender globaler Herausforderungen nicht nur Wirtschafts- und Handelspartner sein.  Es wird darauf ankommen, dass unsere beiden Länder gemeinsam der Deglobalisierung entgegenwirken und verhindern. Lassen Sie uns gemeinsam den Austausch intensivieren und die Zusammenarbeit vertiefen! Lassen wir die chinesisch-deutsche Wirtschaftskooperation nach der Pandemie nun für frühlingshafte Stimmung in der Weltwirtschaft sorgen.

Vielen Dank!

Suggest to a friend
  Print