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Botschafter WU Ken im Interview mit Handelsblatt
2023-01-09 09:00


Herr Botschafter, Ihre Regierung hat am 7. Dezember ein Ende ihrer Null-Covid-Politik verkündet. Seitdem muss China mit einer riesigen Coronawelle fertigwerden. Wie ist die aktuelle Lage?
Unsere Regierung versucht alles, um die Gesundheit der Bürger und Bürgerinnen zu schützen. Das haben wir auch in den letzten drei Jahren erfolgreich nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen umgesetzt. Wir haben jeder Infektionswelle standgehalten.

Aber wie ist die Lage heute? Auf Videos sind mit Covid-Patienten überfüllte Krankenhäuser zu sehen.
Es stimmt, dass viele meiner Landsleute Coronasymptome haben. Aber es sind nur wenige schwere Verläufe darunter und die meisten sind wieder gesund geworden. Vorherrschend ist die Omikron-Variante, die nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen weniger virulent ist. Die Lage gestaltet sich insgesamt vorhersehbar und beherrschbar.

Die WHO hat die chinesische Regierung aufgefordert, Daten über die aktuellen Infektionszahlen und zu allen aktuellen Todesfällen zu veröffentlichen. Warum veröffentlicht China diese Daten nicht mehr?
Doch, das Chinesische Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention tut das gerade. Seit der Coronapandemie haben wir uns mit der WHO mehr als 60-mal ausgetauscht, darunter viermal allein seit Dezember 2022. Zudem haben wir auch Genomdaten der jüngsten Fälle an die in München ansässige weltweite Wissenschaftsinitiative GISAID übermittelt.

Die deutsche Wirtschaft in China kämpft mit einem hohen Krankenstand ihrer Beschäftigten. Können Sie da schon bald Entwarnung geben?
Ich versichere Ihnen: Wir tun alles, damit sich die Situation wieder normalisiert und das wird bald der Fall sein. Inzwischen sind in Peking, Shanghai oder Guangzhou die Peaks bei den Infektionswellen überschritten. Das normale Leben kehrt allmählich zurück.

Viele Länder haben trotzdem eine Testpflicht für Reisende aus China verhängt. Können Sie solche Einreisebeschränkungen angesichts der Erfahrungen in den vergangenen Jahren nicht verstehen?
Ehrlich gesagt: Nein. Sie finden keinen Wissenschaftler, der bereits von unbekannten Mutationen in China berichtet. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, hat noch kein einziges Problem gelöst. So eine Entscheidung muss auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Mir scheint da auch eine Diskriminierung im Spiel zu sein. Dies lehnen wir ab.

Sie werfen den Ländern Diskriminierung vor – aber in China gilt nach wie vor die Pflicht, einen maximal 48 Stunden alten PCR-Test vorzulegen, um einreisen zu dürfen. Können wir also davon ausgehen, dass auch von chinesischer Seite bald die letzten Einreisebeschränkungen fallen?
Chinas Maßnahmen zielen nicht auf bestimmte Länder ab. Vor Kurzem haben wir auch angekündigt, die Ein- und Ausreisen zu erleichtern. Wir freuen uns wieder auf ein Stück mehr Normalität in unserem Leben.

Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einer neuen Chinastrategie, um auch die Abhängigkeit von Ihrem Land zu reduzieren. Halten Sie das für gerechtfertigt?
Was ich in Medien darüber lese und aus vielen Gesprächen weiß, befremdet mich sehr.

Warum?
Das Papier erweckt den Eindruck, dass es vor allem von Ideologie geleitet wird. Es geht nicht von den gemeinsamen Interessen von Deutschland und China aus.

Sondern?
In dem Papier, was ich bisher weiß, wird der Wettbewerb und eine Konfrontation unserer beiden Länder so hochstilisiert, dass es nichts mit der Realität zu tun hat. Wie ich zudem höre, sollen künftig bestimmte Werte und Menschenrechte Voraussetzung für die Zusammenarbeit sein. Es soll auch Beschränkungen geben. Wenn das so kommt, würde es unserer Zusammenarbeit Steine in den Weg legen. Zudem will Deutschland, so zumindest der Entwurf, seine Chinapolitik zukünftig stärker mit „gleichgesinnten“ Verbündeten wie den USA abstimmen.

Das legt den Verdacht nahe, dass die deutsche Regierung ihre Unabhängigkeit einbüßt und stattdessen in Sachen Chinapolitik ganz den USA folgt. Und diese zielen bekanntlich auf eine Unterdrückung und Eindämmung Chinas. Damit widerspricht sich die Bundesregierung letztlich selbst. Hat sie doch stets betont, keine Konfrontation zwischen verschiedenen Lagern anzustreben. Dies riecht für mich verdächtig nach einer Mentalität des Kalten Krieges.

In den vergangenen Monaten sind mehrere Übernahmen deutscher Firmen durch chinesische Unternehmen durch die Bundesregierung verhindert worden – aus Sorge, dass China diese Beteiligungen missbraucht.
Diese Entwicklung ist wirklich sehr besorgniserregend. In den letzten Jahren hat Deutschland China einerseits zu mehr Offenheit aufgefordert, aber andererseits hat die Bundesrepublik die Beschränkungen für die Investitionen aus China hier in Deutschland verschärft. Dieser Ansatz ist völlig widersprüchlich. Nehmen wir als Beispiel die jüngste Aufregung um den Hamburger Hafen: Es ist doch ein Witz, dass eine Minderheitsbeteiligung an einem der kleinsten Hafenterminals von geopolitischer Bedeutung sein soll. Außerdem sind zahlreiche ausländische Unternehmen auch am Betrieb chinesischer Hafenterminals beteiligt.

Die Botschaften des 20. Parteitags der KP Chinas sind klar, China hält an seiner Öffnungspolitik fest. Wir wollen mit Deutschland in eine erfolgreiche Zukunft gehen. Das meinen wir sehr ernst.

Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will die Beziehungen mit China enger an die Einhaltung der Menschenrechte und an Chinas Verhalten im Taiwan-Konflikt binden. Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass in China massiv Menschenrechtsvergehen begangen werden?
Die Menschenrechtslage in China ist so gut wie noch nie und hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte erzielt. China hat die Einhaltung der Menschenrechte in seiner Verfassung verankert.

Es gibt aber doch zahlreiche Belege – offizielle chinesische Regierungsdokumente, Augenzeugenberichte, tiefe Recherchen von Medien – die klar zeigen, dass China seit Jahren massive Menschenrechtsvergehen in der westchinesischen Provinz Xinjiang begeht.
In Xinjiang geht es um den Kampf gegen Terrorismus, Separatismus sowie Radikalisierung. Menschenrechtsvorwürfe entbehren jeder faktischen Grundlage. Es handelt sich dabei um Lügengebäude von einzelnen antichinesischen Organisationen und Medien. 

Ebenfalls durch Regierungsdokumente und Augenzeugenberichte belegt ist, dass Angehörige ethnischer Minderheiten zu Zwangsarbeit in Unternehmen eingesetzt werden. Ab diesem Jahr gilt das neue deutsche Lieferkettengesetz: Unternehmen, in deren Lieferketten Zwangsarbeiter eingesetzt werden, drohen hohe Strafen. 
China wird sich nicht in die Gesetzgebung von Deutschland einmischen. Doch die Politisierung von Wirtschafts- und Handelsfragen verzerrt die Prinzipien der Marktwirtschaft. Das macht auch vielen deutschen Unternehmen Bedenken. China spricht sich klar dagegen aus, dass einige Länder solch ein Lieferkettengesetz nutzen, um sich über die inneren Angelegenheiten anderer Staaten auszulassen. Wir werden die Auswirkungen des deutschen Gesetzes deshalb auch nach dem Inkrafttreten aufmerksam verfolgen und wie schon in der Vergangenheit wird China alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen seiner Unternehmen konsequent zu schützen. 

Sie könnten ja auch unabhängige Audits zulassen – das würde den Unternehmen die Gelegenheit bieten, zu zeigen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte eingehalten werden.
China lehnt die Instrumentalisierung der Menschenrechtsfragen zum Zwecke der Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten ab. Außerdem hat die UN-Menschenrechtskommissarin im vergangenen Jahr Xinjiang besucht.

Kommen wir wieder zurück zur deutschen Wirtschaft: Viele wollen sich auch mit den Erfahrungen im Ukrainekonflikt und der großen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen unabhängiger machen vom chinesischen Markt. Verstehen Sie das? 
Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen unseren beiden Ländern sind das Ergebnis der Marktgesetze sowie unternehmerischer Entscheidungen. Sie sind Ausdruck der wirtschaftlichen Globalisierung. Die China-Debatte in Deutschland ist gegenwärtig voll von Übertreibung. Ich hoffe, dass die chinesisch-deutsche Partnerschaft auf Grundlage der erfolgreichen Erfahrungen der 50 Jahre diplomatischer Beziehungen mit Vernunft, Respekt und Pragmatismus ausgebaut wird.

Aber verstehen Sie nicht, dass die Unternehmen vorsichtiger geworden sind – zumal sich China mit direkter Kritik an Russland zurückhält?
Ich habe gemerkt, dass die Debatte um China auch von der Ukrainekrise beeinträchtigt wird. Das ist unfair. China ist keine Konfliktpartei. Es ist doch normal, dass ein souveränes Land gemäß der Sachlage eine eigene Position festlegt. In der Tat teilen viele Länder die gleiche oder eine ähnliche Position wie China.

Wir haben volles Verständnis, dass sich Europa in einem Schockzustand befindet. Die Beendigung der Krise und Entwicklung internationaler Beziehungen erfordern dennoch rationales Denken. Europa kann nicht erwarten, dass China Frieden stiftet und die Konfliktparteien zu Verhandlungen bewegt, während es selbst zur selben Zeit unrealistische Vorbedingungen stellt und gemeinsam mit einigen anderen Ländern Öl ins Feuer gießt.

Was meinen Sie damit genau, dass Europa Öl ins Feuer gieße? 
Am 25. Februar 2022 hat Staatspräsident Xi Jinping mit Herrn Putin telefoniert. In diesem Telefonat hat Herr Xi ihn dazu aufgerufen, dass er den Konflikt bitte mit friedlichen Mitteln beilegt. Das hat auch dazu geführt, dass die Ukraine und Russland kurz nach diesem Telefonat angefangen haben zu verhandeln. Das ist der chinesische Beitrag zur friedlichen Beilegung des Konflikts. Einige andere Länder haben durch Waffenlieferungen den Konflikt nicht entschärft, sondern verschärft.

Auch Deutschland hat Waffen an die Ukraine geliefert, also werfen Sie damit auch Deutschland vor, den Krieg zu verschärfen?
Nein, das habe ich nicht gesagt. Das Gebot der Stunde ist, um eine friedliche Lösung zu ringen.

Seit Beginn des Ukrainekrieges hat die deutsche Wirtschaft große Sorge, dass auch der Taiwan-Konflikt weiter eskalieren wird. Wie wird sich die Lage dort entwickeln?
Der Kern der jetzigen Spannungen liegt doch in dem Versuch der taiwanesischen Behörden, sich in ihren separatistischen Bestrebungen auf die USA zu stützen. Für die USA ist Taiwan nur Mittel zum Zweck, China einzudämmen. Der Versuch, den Status quo in der Taiwan-Frage zu ändern – darin liegt die größte Bedrohung für den Frieden und die Stabilität in der Region.

Aber China selbst dringt doch seit Jahren immer tiefer und öfter in die Luftverteidigungszone Taiwans ein, die chinesische Staatsführung betont öffentlich, dass sie Gewalt gegenüber der Insel nicht ausschließt. Was sagen Sie den Unternehmen, die besorgt sind?
Es gibt auf der Welt nur ein einziges China. Taiwan ist von alters her ein untrennbarer Bestandteil des chinesischen Territoriums. Die Regierung der Volksrepublik China ist der einzige legitime Vertreter ganz Chinas. Dies ist das Ein-China-Prinzip. Die Erfahrung hat gezeigt: Dieses Prinzip ist der zentrale Anker für die Stabilität in der Taiwan-Straße. Wenn sich alle daran halten, dann gibt es kein Problem, dann ist alles ruhig in der Taiwan-Straße.

Zum ersten Mal seit 26 Jahren könnte in diesem Jahr möglicherweise ein Mitglied der Bundesregierung nach Taiwan reisen. Wie schauen Sie darauf? 
Das Ein-China-Prinzip stellte auch die politische Grundlage für die Aufnahme und den Ausbau der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Deutschland dar. Es handelt sich um eine politische Verpflichtung, zu der sich alle bisherigen Bundesregierungen bekannt haben. Ich möchte aber einzelnen Politikern auch raten, in der Taiwan-Frage nicht mit dem Feuer zu spielen und chinesische rote Linien nicht zu testen.

Vielen Dank für das Interview.



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