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Grundsatzrede vom Botschafter WU Ken auf der „Asia Business Insights“ Konferenz des Handelsblatts
2021-11-03 11:00

Es ist mir eine große Ehre, an der jährlich stattfindenden „Asia Business Insights“ Konferenz teilzunehmen. Vielen Dank an das Handelsblatt für die Einladung. Die Themen der diesjährigen Konferenz sind sehr vielfältig, und ich merke, dass die wirtschaftliche Situation im Asien-Pazifik-Raum allseits aufmerksam verfolgt wird, insbesondere was die Wirtschaftspolitik Chinas angesichts der Pandemie betrifft, ebenso wie die Aussichten für europäische Unternehmen im Hinblick auf Handel und Investitionen in China. China schätzt die Zusammenarbeit mit Deutschland und Europa sehr. Obwohl sich die chinesisch-deutsche bzw. die chinesisch-europäische Zusammenarbeit auf zahlreiche Bereiche erstreckt, ist und bleibt die Wirtschaftskooperation eine der wichtigsten Säulen. Deshalb nutze ich gerne die heutige Gelegenheit für einen Austausch mit Ihnen zu Themen rund um die Zusammenarbeit mit China, die für die deutsche Wirtschaft von Belang und Interesse sind. 

Zunächst möchte ich auf die aktuelle Situation der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Pandemie eingehen. Corona hat unvermeidlich zu Beeinträchtigungen der chinesisch-deutschen Wirtschaftskooperation und Einschränkungen des persönlichen Austauschs geführt. Dennoch haben beide Seiten dank Flexibilität und einer pragmatischen Herangehensweise die Kommunikation auf allen Ebenen aufrechterhalten und dafür gesorgt, dass die Intensität der Zusammenarbeit nicht nachlassen konnte. Die Fühungspersönlichkeiten beider Länder stehen nach wie vor in regelmäßigem Austausch, wobei sich die Häufigkeit der Besprechungen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten sogar noch erhöht hat. Auch haben wir gemeinsam erfolgreich die 6. Runde der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen im virtuellen Format durchgeführt und damit sichergestellt, dass sich die bilateralen Beziehungen stets auf eine koordinierte, kooperative und stabile Basis stützen können. Um den deutschen Unternehmen in China bei der Wiederaufnahme des normalen Geschäftsbetriebs unter die Arme zu greifen, hat China für die Mitarbeiter deutscher Firmen und ihre Familienangehörigen seit letztem Jahr ein „Fast-Track“-Verfahren für Reisen zwischen China und Deutschland eingerichtet, von dem bereits hunderte Unternehmen und fast 5.000 Menschen profitiert haben. Während die Weltwirtschaft pandemiebedingt stagnierte, ist das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und China entgegen dem Trend gestiegen und erreichte im vergangenen Jahr 212,1 Milliarden Euro. Auch in den ersten drei Quartalen 2021 wuchs es um knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr und dürfte in diesem Jahr ein weiteres historisches Hoch erreichen. Eine Umfrage der deutschen Außenhandelskammer zeigt, dass 42 Prozent der deutschen Unternehmen mit Sitz in China im Jahr 2020 ihren Gewinn steigern konnten, während ein Viertel der Unternehmen Umsätze und Ergebnisse auf dem Niveau von 2019 erzielen konnten. 72 Prozent der befragten deutschen Unternehmen planen ihre Investitionen in China auszubauen. China hat die Pandemie relativ frühzeitig und vergleichsweise gut unter Kontrolle gebracht und damit ein positives Wirtschaftswachstum erhalten, was wiederum eine starke Unterstützung für die deutschen Unternehmen und die deutsche Wirtschaft bei der Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie war. Im Gegenzug haben die deutschen Unternehmen durch ihr Festhalten an ihren Kooperationen mit China einen Beitrag zum Fortbestand einer dynamischen chinesischen Wirtschaft während der Pandemie geleistet. Die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit hat sich als sehr belastbar erwiesen und steckt voller Potenzial. Sie ist ein lebhaftes Abbild der beiden sich in hohem Maße ergänzenden Volkswirtschaften, deren Interessen eng miteinander verflochten sind. Derzeit stehen alle Länder vor der gemeinsamen Herausforderungen, die Pandemie zu bekämpfen, die Wirtschaft zu fördern und die Lebensgrundlagen der Menschen zu erhalten. Die Intensivierung der für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen den jeweils größten Volkswirtschaften auf dem asiatischen und europäischen Kontinent wird nicht nur der eigenen Entwicklung zugutekommen, sondern auch der Stabilisierung der regionalen und sogar globalen Wirtschaft Zuversicht und Dynamik verleihen.

Als nächstes möchte ich zu den Fehlinterpretationen von Chinas neuem Entwicklungskonzept Stellung nehmen, die man bisweilen außerhalb Chinas antrifft. Im 14. Fünfjahresplan wurde eine neue Entwicklungsstrategie eingeführt, bei der der innerchinesische Wirtschaftskreislauf die Hauptstütze darstellt und sich die beiden in- und ausländischen Wirtschaftskreisläufe gegenseitig fördern. Dies hat an einigen Stellen und in manchen Medien Spekulationen ausgelöst, dass China sich „abschotten“ und vom Westen „abkoppeln“ würde. Diese Auffassung ist jedoch falsch. Wir leugnen nicht, dass es Überlegungen gibt, wie mit dem weltweit zunehmenden Protektionismus umzugehen und die Sicherheit unserer eigenen Lieferkette aufrechtzuerhalten ist. Eine Abkopplung jedoch wird nicht von China angestrebt, sondern von bestimmten westlichen Großmächten, die China wirtschaftlich isolieren und eine technologische Blockade betreiben. China nimmt sich ein Beispiel an den positiven Erfahrungen anderer Länder und Regionen, wie zum Beispiel der EU beim Aufbau des europäischen Binnenmarktes, um Schritt für Schritt die Potenziale des chinesischen Binnenmarktes zu entfalten und erschließen. Das Ziel besteht lediglich darin, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Landes gegenüber Risiken und Entkopplung zu stärken, was keineswegs bedeutet, dass wir in ein Zeitalter der Abschottung und Autarkie zurückkehren. Lassen Sie mich den „doppelten Kreislauf“ einmal am Beispiel eines Autos veranschaulichen. Der doppelte Kreislauf entspricht den Vorder- und Hinterrädern eines Autos. Die Antriebsräder sind für die Stabilität des Fahrzeugs zwar sehr wichtig, aber nur wenn alle vier Räder optimal zusammenwirken, kommt man auch problemlos voran. Autos bewegen sich nicht nur auf zwei Rädern fort, ebenso wie China sich bei seiner Entwicklung nicht allein auf den Binnenmarkt stützen wird. Wir werden daran arbeiten, eine solide Nachfrage im Inland aufzubauen und eine bestmögliche Interaktion zwischen dem globalen und dem einheimischen Markt zu erreichen. Die Öffnung nach außen ist einer der Grundzüge der chinesischen Politik. Mehr als 40 Jahre Reform und Öffnung haben nicht nur die rasante Entwicklung der chinesischen Wirtschaft ermöglicht, sondern haben bei den Menschen auch die Ansicht tief verwurzelt, dass „Öffnung Fortschritt und Abschottung Rückschritt bringt“. Es ist wie mit dem Wasser in einem Teich: Es muss ständig in Bewegung gehalten werden, damit es klar und sauber bleibt. China wird seine Türen zur Welt nicht schließen, sondern noch weiter als bisher geöffnet lassen.

An dritter Stelle möchte ich darauf eingehen, wie Wettbewerbskonflikte betrachtet werden sollten. Angesichts der rasanten wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung Chinas lässt es sich nicht bestreiten, dass Europa und Deutschland tatsächlich in einigen Bereichen Wettbewerbsdruck verspüren. Wir verstehen auch das berechtigte Anliegen Europas, seine wirtschaftlichen und technologischen Wettbewerbsvorteile zu bewahren. Daran ist im Grunde auch nichts auszusetzen. Dass China ein Recht auf Entwicklung hat, einschließlich das Recht auf die Entwicklung chinesischer High-Tech-Unternehmen, sollte jedoch gleichermaßen respektiert werden. In einer globalisierten und marktorientierten Wirtschaft ist der Wettbewerb ein wichtiger Motor der Marktdynamik und Innovation. Dass ein gewisser Wettbewerb besteht, ist nichts Ungewöhnliches. Das Wichtige ist jedoch, den Wettbewerb mit Vernunft und aus der richtigen Perspektive zu betrachten. Obwohl sich China in einigen Bereichen bei der Wertschöpfung in Richtung High-End-Segment bewegt, befindet sich der Großteil unserer Wirtschaftsbereiche immer noch in der Mitte oder am unteren Ende der Wertschöpfungskette. Ein wesentliches Merkmal der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern wird auch in Zukunft sein, dass wir uns in unseren Stärken ergänzen. Zwischen China und Deutschland bzw. China und Europa gibt es kein Nullsummenspiel, bei dem einer verliert und einer gewinnt. Wir können durchaus einen für alle vorteilhaften Weg finden, indem wir selbst besser werden und die andere Seite gleichzeitig davon profitiert. Eine alte chinesische Redewendung besagt, dass „nur derjenige wirklich stark ist, der über sich selbst hinauswächst“. Die Errichtung von Schranken oder der Einsatz unlauterer Mittel zur Unterdrückung von Konkurrenten, wie es einzelne Länder tun, ist nicht der richtige Umgang mit Wettbewerb. Mit 1,4 Milliarden Einwohnern und einer Mittelschicht mit über 400 Millionen Menschen ist China der weltweit größte und am stärksten wachsende Markt. Wie Staatspräsident Xi Jinping betont, ist er groß genug, sowohl für chinesische Unternehmen als auch für deutsche und europäische. Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Folge nicht dem Beispiel der Spinnen, die jeweils ihre eigenen Netze bauen, sondern folge dem Beispiel der Bienen, die gemeinsam Honig machen“ - ein wahrlich philosophisches Sprichwort, das uns in der heutigen Zeit des allgegenwärtig aufkommenden Protektionismus und der nationalen Prioritäten den Weg zum Miteinander und zur Zusammenarbeit weist. Solange beide Länder an der groben Richtung der Liberalisierung und Erleichterung von Handel und Investitionen festhalten und die Öffnung nach beiden Seiten weiter vorantreiben, kann die chinesisch-deutsche und die chinesisch-europäische Wirtschafts- und Handelskooperation weitere Fortschritte und neue Höhen erreichen.

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