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„Die japanische Regierung provoziert China"――Botschafter Shi Mingdes Interviewgespräch mit der Braunschweiger Zeitung
2014-01-13 02:28

In einem Interviewgespräch, das Botschafter Shi Mingde mit Florian Arnold von der Braunschweiger Zeitung führte und am 10. Januar veröffentlicht wurde, hat der Botschafter sich unter anderem zu Chinas Entwicklung und Reformen, zur Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland bzw. Europa sowie zu Japans Aufarbeitung der Vergangenheit geäußert. Im Folgenden das Interview im Wortlaut:

 
Unsere Leserin Erika El Hussein aus Clausthal fragt: Meines Erachtens sind die Chinesen, was Fleiß anbelangt, die Deutschen Asiens. Welche Schattenseiten hat der wirtschaftliche Aufstieg zur künftigen Weltmacht Nummer eins für das chinesische Volk?

Das Interview samt Fragen, die uns unsere Leser zugesandt hatten, führte Florian Arnold. Vor seinem Festvortrag beim Neujahrsempfang der Stadt Braunschweig sprach der chinesische Botschafter mit Florian Arnold. Unser Redakteur stellte Shi Mingde auch Fragen, die Leser uns zugeschickt hatten.

Was Arbeitsdisziplin und Fleiß anbelangt, seien die Chinesen die Deutschen Asiens, schreibt Erika El Hussein aus Clausthal. Der wirtschaftliche Aufstieg zur künftigen Weltmacht Nummer 1 habe aber sicher auch Schattenseiten für das chinesische Volk. Welche sind dies Ihrer Ansicht nach?

Vor 35 Jahren haben wir in China die Politik der Öffnung und Reformen eingeleitet. Wir haben große Erfolge erzielt. China ist jetzt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt neben den USA. Wir haben eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards der Menschen erreicht.

Wenn man aber die Wirtschaftsleistung durch 1,3 Milliarden Menschen teilt, dann landen wir wieder nur auf dem 90. Platz der Weltrangliste, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Das beträgt 6000 Euro Dollar. Vor 35 Jahren waren es 200 Dollar. Aber in Deutschland sind es 43 000 Dollar - also immer noch siebenmal mehr als bei uns in China. Wir bleiben trotz aller Erfolge ein großes Entwicklungsland.

Das Gefälle zwischen den boomenden Küstenstädten und dem Inland ist in China besonders groß. Unser Leser Hans-Joachim Scherenhorst aus Königslutter fragt, was die Regierung für die arme Landbevölkerung tun will?

Grundsätzlich geht es allen Chinesen besser als früher. Aber einer Minderheit geht es noch viel besser als der Mehrheit. Das liegt daran, dass die Reformen in den Küstenregionen begonnen haben, die auch historisch die eigentlichen Industriestandorte Chinas waren. Von den Öffnungen haben sie zusätzlich besonders profitiert. Jetzt gilt es, diesen Abstand zu verbringen.

Aber wie?

Die neue Strategie heißt „Go West" – etwa so wie es in Deutschland seit der Wiedervereinigung „Go east" oder „Aufbau Ost" hieß. Wir wollen uns konzentrieren auf die Erschließung von Zentral- und Westchina. Das Potenzial ist da: Die meisten Rohstoffe liegen im Westen Chinas. Wir ermutigen auch ausländische Unternehmen, dort zu investieren. Volkswagen beispielsweise baut in der Stadt Urumqi ein Werk auf. Und BASF will in Chongqing ein neues Ludwigshafen schaffen.

Die Industrialisierung und das starke Wachstum haben große Umweltprobleme geschaffen. Unser Leser Hans-Joachim Scherenhorst fragt, warum die chinesische Regierung Milliarden Euro im Ausland investiert, anstatt zugunsten der eigenen Bevölkerung die Umweltverschmutzung zu bekämpfen?

Die Wirtschaft Chinas ist eng verflochten mit der Weltwirtschaft. Deshalb haben wir Europa bei der Bewältigung der Euro-Krise auch sehr unterstützt und Staatsanleihen vieler hochverschuldeter Länder gekauft. Wir wollten dadurch ein Zeichen der Solidarität setzen. Wir hoffen, dass die Europäer ihre Krise bewältigen, auch damit sie wieder in der Lage sind, unsere Produkte zu kaufen. Es ist ein Geben und Nehmen im beiderseitigen Interesse.

In China ist die Meinung verbreitet, dass die Europäer nicht bereit sind, hart genug zu arbeiten, um im globalen Wettbewerb auf lange Sicht mit Asien mithalten zu können. Wie sehen Sie das?

Dynamik und Effizienz sind in China derzeit ausgeprägter als in Europa. In Deutschland hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg, als alles in Schutt und Trümmern lag, eine enorme Aufbruchstimmung entwickelt, das Land wieder aufzubauen. Jetzt hat man in Deutschland und Europa Wohlstand erreicht, und es sind gewisse Begleiterscheinungen zu beobachten. Hier hat man die Probleme der Reichen. In China stehen wir noch ganz am Anfang. Deshalb ist die Motivation der Chinesen sehr groß. Sie wissen, dass ihnen die Reformpolitik ermöglicht, durch fleißige Arbeit zu Wohlstand zu gelangen, eine Wohnung und ein Auto zu kaufen.

Allerdings bringt der Wolhstand auch Probleme.

Welche sind das?

Früher fuhren die Menschen Fahrrad. Jetzt haben wir allein in Peking fünf Millionen Autos. Ich war im November dort und habe den Smog erlebt. Man kann ja kaum richtig atmen!

Die Regierung hat ein klares Ziel gesetzt. Wir wollen bis 2020 den Anteil der Eneuerbaren Energien von jetzt 8 auf 15 Prozent erhöhen. Wir wollen den Emissionsaustoß um 40 bis 45 Prozent abbauen. 23 Provinzen haben sich verpflichtet, binnen drei Jahren den Feinstaub um mindestens 20 Prozent zu reduzieren.

Das Umweltproblem führt zu großer Unzufriedenheit bei der Bevölkerung, und die führt zu Unzufriedenheit mit der Regierung. Es ist also ein gemeinsames Anliegen beider, die Probleme anzupacken. Dabei müssen wir mit dem Ausland zusammenarbeiten. Allein schaffen wir es nicht.

Wie soll diese Zusammenarbeit aussehen?

70 Prozent der Energie Chinas wird aus Kohle gewonnen. Wir brauchen moderne Technologien zur Kohleverflüssigung und -vergasung, und wir brauchen moderne Entschwefelungsanlagen. In den Großstädten brauchen wir Technologien zur Müll- und Abwasserentsorgung. Gerade Deutschland verfügt hier über modernste Technik. Deshalb sehen wir Deutschland als Partner und große Chancen für die deutsche Wirtschaft.

Warum wird das Investitionsklima in China dennoch durch Bürokratie und behördliche Willkür beeinträchtigt?, fragt unser Leser Kurt Schlüter aus Vordorf.

China ist seit Jahrzehnten neben den USA das Land, in das am meisten investiert wird. Das liegt an der Rechtssicherheit und der stabilen politischen Situation. Wir nehmen die Beschwerden ausländischer Unternehmen aber ernst. Im historischen dritten Plenum der KP hat die Regierung gerade festgeschrieben, dass der Markt künftig die entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung spielen wird. Die Formel lautet: Soviel Markt wie möglich, so wenig Regulierung wie nötig. Alle Formen von Staatsbetrieben über Privatunternehmen bis hin zu Firmen mit ausländischer Beteiligung werden gesetzlich gleichgestellt. Alle haben den gleichen Marktzugang auch zu Bereichen, die vorher das Monopol von Staatsbetrieben waren.

Was sind die wichtigsten?

Die Finanzwirtschaft. In Shanghai haben wir eine neue Freihandelzone errichtet, die allen internationalen Standards entspricht. Dort wird die chinesische Währung frei konvertierbar sein, und die Zinssätze sollen sich nach Angebot und Nachfrage richten. Das ist eine neue Phase in der Entwicklung Chinas. Wenn sie erfolgreich verläuft, werden diese Freihandelszonen auch in anderen Provinzen eingeführt. Viele haben das bereits beantragt.

Wir haben über die Probleme bei ausländischen Investitionen in China gesprochen - wie sieht es umgekehrt bei chinesischen Investitionen im Ausland aus?

Weltweit gibt es zwei Staaten, die gestärkt aus der Finanzkirse hervorgegangen sind: Deutschland und China - weil sie über die größten Realwirtschaften verfügen. Darum sind wir auch die größten Exportwirtschaften der Welt und treten gemeinsam für offene Märkte und fairen Wettbewerb ein. Doch je schwieriger die Wirtschaftslage wird, desto größer wird die gefährliche Tendenz des Protektionismus. Die ist in den USA sehr ausgeprägt, auch wenn anders argumentiert wird und chinesische Investitionen dann aus „Sicherheitsgründen" abgelehnt werden.

Wir sind für Marktwirtschaft, das heißt gesunde Konkurrenz. Die stärkt die Wettbewerbsfähigkeit - der Aufbau von Barrieren nicht.

Es gibt bereits 7500 deutsche Firmen, die in China tätig sind. Seit fünf Jahren investiert China aber auch mehr und mehr in Deutschland. Über 2500 chinesische Firmen sind jetzt in Deutschland tätig. Neulich war ich in Sachsen-Anhalt bei der Eröffnung einer modernen Verpackungsfarbik.Zwei junge chinesische Unternehmer, die bisher Verpackungen aus Europa bezogen, haben dort 80 Millionen Euro investiert und 150 Arbeitsplätze geschaffen.

Dennoch machen chinesische Investitionen bisher nur 0,2 Prozent aller ausländischen Investitionen in Deutschland aus. Und unsere Firmen haben auch Probleme: mit der Bürokratie und dem komplizierten Steuersystem in Deutschland etwa.

Sie sagen, die chinesische Regierung ist für Marktwirtschaft und gesunde Konkurrenz. Aber in Peking regiert doch die kommunistische Partei. Was ist in China noch kommunistisch?

Ob die Partei von der Bevölkerung unterstützt wird oder nicht, hängt davon ab, ob ihre Politik dem Wohl der Mehrheit der Menschen dient. Vor 60 Jahren hatten wir in China eine Lebenserwartung von 36 Jahren. Heute sind es 74 Jahre. Die KP schafft es, mit sieben Prozent der Ackerfläche der Welt 22 Prozent der Menschen weltweit zu ernähren. Sie hat 250 Millionen Menschen aus der Armut befreit. Das wird anerkannt.

Das Erstarken Chinas hat dazu geführt, dass es auch außenpolitisch selbstbewusster auftritt. Insbesondere die Konflikte mit Japan spitzen sich zu. Sehen Sie die Gefahr einer Eskalation?

China konzentriert sich auf die Bewältigung der eigene Probleme. wir haben kein Interesse an Reibungen mit unseren Nachbarn.

Bei dem Streit mit Japan geht es um die Bewältigung der Vergangenheit. Mehr als 60 Jahre nach dem Kriegsende ist Japan immer noch nicht bereit einzuräumen, dass es einen Aggressionskrieg gegen China und andere asiatische Länder entfesselt hat.

Vor kurzem hat Premier Abe den Yasukuni-Schrein besucht. Das ist die geistige Säule des japanischen Militarismus. Dort wird auch 14 Kriegsverbrechern der höchsten Stufe gedacht. Stellen Sie sich vor, die Bundeskanzlerin würde statt eines Holocaust-Mahnmals den Hitler-Bunker besuchen und dort einen Kranz niederzulegen. Das ist unvorstellbar.

Diese Provokationen der japanischen Regierung führen zu großer Empörung in China.

Wir wissen allerdings auch, dass es nur wenige Politiker sind, die aus Eigennutz die Versöhnung aufs Spiel setzen. Wir wollen Kooperation und die Beilegung der Probleme mit Japan durch Gespräche. Aber wenn wir provoziert werden, müssen wir deutliche Worte finden. Es geht um Gerechtigkeit und die Bewahrung der Nachkriegsordnung. Da können wir keine Kompromisse machen.

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